Was ist die Prokura? Bei der Prokura handelt es sich um eine umfangreiche geschäftliche Vertretungsvollmacht, die innerhalb eines Unternehmens an einzelne Mitarbeiter:innen erteilt werden kann. Je nach Ausgestaltung kann diese Vollmacht an den Handlungsspielraum der Geschäftsführung oder des Vorstandes heranreichen. Damit stellt die Prokura eine gewillkürte Form der Stellvertretung dar und sorgt dafür, dass im Handelsverkehr immer eine ansprechbare Vertretung vorhanden ist.
Nach §49 UGB befähigt die Prokura einzelne Personen – sogenannte “Prokurist:innen” – zu allen Arten von (außer-)gerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die zum Tagesgeschäft eines Unternehmens im Handelsgewerbe zählen. Darunter fallen beispielsweise:
Wichtig: Während die Vertretungsvollmacht fast alle üblichen Rechtsgeschäfte umfasst, sind für die Veräußerung und Belastung von Grundstücken besondere Befugnisse notwendig, welche Prokurist:innen ausdrücklich erteilt werden müssen.
Grundlagengeschäfte, wie beispielsweise der Verkauf des Unternehmens, die Veräußerung maßgeblicher Unternehmensanteile oder etwa die vollständige Einstellung des Geschäftsbetriebes, zählen ebenfalls zu den außerordentlichen Geschäfts- und Rechtshandlungen, die besonderer Befugnisse bedürfen.
Außerdem sind Prokurist:innen nicht zu Handlungen bemächtigt, die ausschließlich der Geschäftsführung bzw. deren gesetzlicher Vertretung unterstehen. So dürfen Prokurist:innen zum Beispiel nicht den handelsrechtlichen Jahresabschluss unterzeichnen.
Für manche Unternehmer:innen mag es sehr verführerisch klingen, sich jederzeit oder mal zwischendurch von Prokurist:innen vertreten zu lassen. Allerdings gibt es hier gleich vorweg einen kleinen Dämpfer: Nicht jede:r Unternehmer:in kann sich mithilfe der Prokura vertreten lassen. Grund dafür ist die Beschränkung der Prokura gemäß des Handelsgesetzbuchs.
So können nur folgende Unternehmensformen die Prokura überhaupt in Anspruch nehmen:
Im Umkehrschluss sind folgende Unternehmensmodelle vom Anspruch auf Prokura ausgenommen:
Nein. Die Prokura kann nur von voll geschäftsfähige natürliche Personen übernommen werden. Allerdings müssen dafür keine fachlichen oder persönlichen Voraussetzungen erfüllt sein, und es müssen auch keine speziellen Rechtsbeziehungen zum Unternehmen vorliegen. Somit können auch Ehegatten, Verwandte sowie andere betriebsfremde Personen und freiberufliche Mitarbeiter:innen Prokurist:innen werden.
Ausgeschlossen von der Inanspruchnahme der Prokura sind hingegen folgende Personen:
Vielfalt ist wichtig – das gilt für die Besetzung einzelner Mitarbeiter:innen bis hin zur Definition ihrer Handlungsspielräume. Es verwundert daher nicht, dass auch das Handelsgesetzbuch die Prokura in diversen Variationen auflistet; jede einzelne davon reguliert die Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten der Prokurist:innen auf individuelle Weise. Wir haben Dir hier eine kleine Übersicht der verschiedenen Prokura-Modelle zusammengestellt:
Als die weitreichendste Form der Vertretungsvollmachten ermöglicht das Einzelprokura Prokurist:innen eine vollständige Vollmacht, die sie zu alleinigen Vertretungsberechtigten macht; sie sind somit auf Niveau der Geschäftsführung.
Die Prokura kann auch mehreren Personen gemeinschaftlich übertragen werden. Diese sogenannte “Echte Gesamtprokura” – oder auch: “Echte Kollektivprokura” – ermächtigt zwei oder mehrere Personen zu gemeinschaftlichen Handlungen. Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings auch, dass die Prokurist:innen nur gemeinschaftlich Entscheidungen treffen können bzw. sich im Vorfeld auf Entscheidungen einigen müssen. Mit anderen Worten: In der Echten Gesamtprokura sind einzelne Prokurist:innen nicht einzelvertretungsberechtigt.
Wichtig: Bei der Echten Gesamtprokura sind Unterschriften nur gemeinschaftlich gültig; die Unterschrift einer einzelnen Person reicht also nicht zur Entscheidungs- oder Handlungserteilung aus.
Im Gegensatz zur Echten Gesamtprokura handelt es sich bei der Halbseitigen Gesamtprokura um eine spezielle Form der Prokura, die nur einer oder mehreren Prokurist:innen eine Vollmacht erteilt, während andere Prokurist:innen einzelvertretungsberechtigt sind, d.h. eine alleinige Vollmacht besitzen.
Bei der Unechten (gemischten) Gesamtprokura dürfen Prokurist:innen das Unternehmen nur mit einer Person aus Geschäftsführung oder Vorstand vertreten; sie sind nicht einzelvertretungsberechtigt – auch nicht in der Gruppe.
Hierbei handelt es sich um eine Prokura-Art, die einzelnen Personen eine Vertretungsvollmacht verleiht, die ausschließlich auf eine Niederlassung des Unternehmens (Filiale) sowie den Handlungsspielraum der dortigen Geschäftsführung beschränkt ist. Wirksam wird sie Dritten gegenüber nur dann, wenn die einzelnen Filialen unter verschiedenen Firmen betrieben werden (wie dieBeispiel GmbH Linz und Beispiel GmbH Wien).
Eine inhaltliche Beschränkung der Prokura gegenüber Dritten ist nicht wirksam – mit Ausnahme der Filialprokura. Allerdings müssen Dritte die Beschränkung der Vertretungsvollmacht gelten lassen, sobald diese im Handelsregister eingetragen ist. Leiten sich keine entsprechenden Beschränkungen aus der Eintragung im Handelsregister ab, dürfen Dritte vom Fall der Einzelprokura ausgehen.
Prinzipiell ist die Prokura schnell geklärt: Sie wird vergeben, beibehalten und unter gewissen Umständen einfach wieder abgegeben. Trotzdem ergeben sich im Geschäftsalltag diverse Fragen, die sich nicht immer von selbst beantworten lassen. Wir haben Dir dafür eine Übersicht der wohl dringendsten Fragen erstellt, denen Prokurist:innen im Laufe ihrer Vertretungsvollmacht begegnen können:
Prokurist:innen müssen sich im Rechtsverkehr als solche zu erkennen geben. Konkret bedeutet das bei namentlicher Zeichnung die Nennung des Unternehmens, das durch besagte:n Prokurist:in vertreten wird sowie Nennung des eigenen Namens mit Hinzufügung eines Zusatzes, der die Prokura verdeutlicht. Das sieht dann ungefähr so aus:
Tipp: Verbreitet ist vor allem die Abkürzung “ppa”; diese steht für “per procura auctoritate”, also: "mit der Macht einer Prokura", und wird dem Namen voran- oder nachgestellt.
Die Prokura darf nur von Inhaber:innen des jeweiligen Unternehmens oder ihren gesetzlichen Vertreter:innen vergeben werden. In der nachfolgenden Übersicht findest Du verschiedene Geschäftsmodelle mit den entsprechenden Personen, die zu einer Vergabe der Prokura berechtigt sind:
Die sogenannte “Unterprokura” bezeichnet die Möglichkeit von Prokurist:innen, die eigene Vollmacht auf eine:n oder mehrere Prokurist:innen zu erweitern. Das bedeutet, Prokurist:innen könnten selbst eigene Prokurist:innen bestellen. Die Gefahr daran: eine Vollmacht ließe somit beliebig ausdehnen. Die Unterprokura ist in Deutschland gesetzlich ausgeschlossen.
Die Erteilung der Prokura durch schlüssiges Handeln oder Duldung allein reichen nicht aus. Das bedeutet im Besonderen, dass die berechtigte Person ausdrücklich eine sogenannte “Ernennungserklärung” abgeben muss; diese kann allerdings auch mündlich erfolgen und bedarf keiner schriftlichen Form. Sobald die Ernennungserklärung abgegeben wurde, ist die Prokura-Bestellung wirksam, und zwar: ab sofort.
Die Prokura kann jederzeit widerrufen werden, und zwar durch die jeweiligen Geschäftsinhaber:innen oder deren Stellvertreter:innen.
Wichtig: Der Widerruf ist nur dann wirksam, sobald entsprechende:r Prokurist:in den Widerruf auch erfährt. Das Arbeitsverhältnis wird durch den Widerruf allerdings nicht automatisch beendet – auch dann nicht, wenn die beschäftigte Person ausdrücklich als Prokurist:in eingestellt worden ist. Hier gilt die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist.
Die Prokura erlischt zusätzlich, wenn…
Vorsicht: Die Prokura bleibt beim Tod der Geschäftsführung vollständig unberührt.
Wer eine Prokura – und dabei insbesondere eine Einzelprokura – erteilt, schafft für Prokurist:innen einen weitreichenden Handlungsspielraum in so gut wie allen geschäftlichen Belangen. Neben den oben bereits erwähnten Vorteilen bedeutet dies allerdings auch, dass alle Fehleinschätzungen und die jeweils damit verbundenen Konsequenzen immer zu Lasten der Geschäftsführung gehen; denn diese haftet für die geschäftlichen Handlungen der Prokurist:innen.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Prokurist:innen besonders sorgfältig und aufmerksam Entscheidungen treffen müssen. So sollte beispielsweise immer eine intern wirksame Vollmacht-Einschränkung auch im Außenverhältnis beachtet werden. Geschieht dies nicht, können Prokurist:innen auch zu Schadensersatz verpflichtet werden.
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