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Handwerksbetrieb übernehmen: So ist die Nachfolge erfolgreich!

time-clockLesedauer: 7 Min. | Zuletzt aktualisiert: 11.8.2023
Senior und Junior im Handwerksbetrieb

Ob Bäcker:in, Maler:in oder Optiker:in: Wer sich im Handwerk selbstständig machen will, kann entweder einen eigenen Betrieb gründen oder als Nachfolger:in in ein bestehendes Unternehmen eintreten. In diesem Fall übernimmst Du einen bestehenden Betrieb – inklusive Mitarbeiter:innen, Stammkundschaft, Inventar und Abläufen. Wie Du eine Übernahme am besten durchführst und wie Du mit Vor- und Nachteilen umgehen kannst, haben wir in diesem Beitrag zusammengetragen.

1. Erst prüfen, dann übernehmen

Bevor Du Verträge unterschreibst, solltest Du den betreffenden Handwerksbetrieb ganz genau analysieren – und auch Deine eigenen Voraussetzungen unter die Lupe nehmen. Denn um selbstständig im Handwerk erfolgreich zu sein, brauchst Du mehr als nur eine gute Idee.

1.1. Selbstanalyse

Zuallererst solltest Du Deine persönliche Eignung prüfen:  

  • Erfüllst Du die fachlichen Anforderungen, um Dich als Handwerker selbstständig zu machen? Je nach Gewerk kann hier z.B. ein Meistertitel nötig sein.
  • Bist Du geeignet, um Mitarbeiter zu führen und Kunden eigenverantwortlich zu betreuen? Bist Du belastbar, psychisch stabil und entscheidungsfreudig? 
  • Bist Du bereit, für eine gewisse Zeit auf Freizeit, pünktlichen Feierabend und Urlaub zu verzichten? Hast Du ausreichend kaufmännische Fähigkeiten und kannst einen Betrieb managen?

1.2. Betriebsanalyse

Als Nächstes kommen die Fakten zum Betrieb an die Reihe: Bauchgefühl allein zählt nicht – hier müssen nachprüfbare Zahlen die Basis für Deine Entscheidung bilden.

  • Wie ist der Betrieb personell und mental sowie hinsichtlich Standort und Leistungsangebot aufgestellt?
  • Kannst Du Dich von ganzem Herzen mit dem Betrieb identifizieren?
  • Entsprechen die Preisvorstellungen Deinen finanziellen Möglichkeiten? Was bekommst Du reell für den Kaufpreis? Welchen tatsächlichen „Wert“ haben Kundenkartei, Inventar, Werkzeuge/Maschinen, Fuhrpark und Personal?
  • Stimmt die Gewinn-Verlustrechnung? Wie sehen die Bilanzen der letzten Jahre aus? Welche Entwicklung zeichnet sich ab? Arbeitet der Betrieb erfolgreich, solvent und wettbewerbskonform? 
  • Falls Werkstatt und/oder Lager vorhanden sind: Wie ist der bauliche Zustand der Gebäude? Achte hier auch auf Sanitär- und Elektroanlagen. Sind Umbaumaßnahmen erforderlich und wenn ja, welche Auflagen musst Du beachten?
  • Welche Kosten kommen auf Dich zu? Kannst Du die Renovierung selbst vornehmen oder musst Du ein anderes Gewerk beauftragen?

Insgesamt muss das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmen: Handelt es sich um einen altmodischen Betrieb mit veraltetem Inventar, sollte der Kaufpreis entsprechend niedrig sein. So kannst Du die Differenz für Renovierungen und Anschaffungen nutzen. 

Die Bewertung überfordert Dich? Dann hol Dir Unterstützung bei der Handwerkskammer. Außerdem ist es bei der Betriebsanalyse oft sinnvoll, eine Steuer- oder Finanzberatung und/oder weitere Expert:innen zurate zu ziehen

Chancen und Risiken abwägen

Die Risiken bei der Übernahme sind die Chancen der Neugründung – und das gilt auch umgekehrt. In unserem Beitrag zur Unternehmensnachfolge oder Neugründung findest Du Vor- und Nachteile umfangreich beschrieben. Generell gilt:

  • Die Wirtschaftlichkeit ist durch bestehende Bilanzen nachvollziehbar und vorhersagbarer. 
  • Wer einen etablierten Betrieb übernimmt, muss sich weniger intensiv um dessen Bekanntmachung kümmern und kann auf dem bestehenden Image aufbauen.
  • Der Kundenstamm muss nicht gewonnen werden, sondern wird übernommen und kann weiter gepflegt werden. 
  • Abläufe im Betrieb sind bereits eingespielt und die vorhandenen Mitarbeiter:innen sind damit vertraut. 
  • Der ehemalige Eigentümer kann Dir mit Erfahrung, Rat und Tipps zur Seite stehen. Auch die aktuellen Steuerberater:innen kennen den Betrieb. 
  • Die Kosten für die Neuanschaffung von Werkzeugen, Maschinen und Fuhrpark sinken bzw. sind geringer. 

Doch neben den Vorteilen können auch Schwierigkeiten auftauchen:

  • Wer sich “einkauft”, muss eigene Ideen oft behutsam einführen, um Kundschaft und Personal nicht zu verprellen.
  • Übereifer oder massive Leistungswechsel führen oft zu negativen Resultaten.
  • Wenn sich der alte Chef weiterhin einmischt, kann es problematisch werden.
  • Wer nicht sorgfältig vorab prüft, kauft “die Katze im Sack” – das kann im Nachhinein zu hohen Kosten führen. 

Um einige der genannten Risiken zu beseitigen, kannst Du bereits vor der Übernahme einige Zeit im betreffenden Betrieb mitarbeiten: So lernst Du die Abläufe und Kollegen genau kennen – das verhindert die verspätete Erkenntnis von Schwachstellen. Außerdem bist Du so auch mit der Kundschaft schon ein wenig vertraut – so kann wenig(er) schiefgehen.

Oft arbeiten auch die ehemaligen Chefs noch 2-3 Jahre mit, um einen fließenden Wechsel zu ermöglichen. Das kann auch für Kunden und Angestellte den Übergang erleichtern, sollte allerdings vertraglich genau geregelt sein. Wenn Dir ungefiltert in jede Entscheidung hineingeredet und Deine Autorität untergraben wird, kann sich die vermeintliche Hilfestellung sonst schnell zum Eigentor entwickeln.

2. Genehmigungen und Rechtliches beachten

Bei der Betriebsanalyse solltest Du – ggf. auf Basis einer Vertraulichkeitserklärung – Zugriff auf alle Unterlagen haben. Dazu gehören sämtliche Dokumente, schriftliche Bestätigungen und Verträge zu

  • Miete, Pacht
  • Lieferungen
  • Kredite und Darlehen
  • Gewerbeversicherungen
  • Arbeitsverhältnisse und Löhne/Gehältern sowie übertarifliche Leistungen
  • Investitionen der letzten Jahre z.B. in Maschinen oder Fuhrpark
  • ggf. vorhandene Rechtsstreitigkeiten
  • Leasing

Ein Gutachten zu den baulichen bzw. baurechtlichen Gegebenheiten der Werkstatt oder Lagerhalle kann ebenfalls sinnvoll sein: Entspricht alles den Vorschriften? 

Außerdem musst Du weitere Anforderungen beachten, die teils denen einer Neugründung ähneln: 

  • Vertragliche Übernahmeregelung festlegen
  • Rechtsform wählen
  • Gewerbeschein und Umsatzsteuernummer beantragen
  • Steuernummer beantragen
  • Handelsregistereintrag prüfen
  • Eintrag bei HWK/Handwerksrolle und ggf. IHK prüfen
  • Eintrag bei der Berufsgenossenschaft prüfen
  • ggf. SOKA-Eintrag prüfen
  • Betriebsnummer bei Agentur für Arbeit prüfen
  • falls nötig: statische Genehmigungen für bauliche Veränderungen
  • falls nötig: Antrag für Außenwerbung
  • falls nötig: verbesserte Belüftung bzw. Nichtraucherschutz; Einrichtung von Pausenraum, oder Umkleideraum; Ausbau sanitärer Einrichtungen

Wie muss ein Übernahmevertrag aussehen?

Eine Übernahme kann bedeuten, dass Du das Eigentumsrecht an einem Betrieb erhältst. Möglich ist auch, dass Du lediglich Pflichten und Rechte an einem gepachteten Betrieb übernimmst.

Der entsprechende Übernahmevertrag oder Fortführungsplan kann sowohl aufgrund gesetzlicher Anordnung erfolgen – oder geschlossen werden, indem alle Beteiligten zustimmen und einen entsprechenden Vertrag unterzeichnen. Dieser Vertrag regelt dabei alle Bedingungen für die Nachfolge. 

Allerdings gibt es hier keine gesetzlichen Regelungen, was dieser Fortführungsplan genau beinhalten muss. Der Inhalt hängt vielmehr davon ab, was geregelt werden soll. 

  • Besteht bereits ein Geschäftsvertrag, regelt der Übernahmevertrag, dass Du als neuer Vertragspartner:in mit sämtlichen Rechten und Pflichten ein- und Dein: Vorgänger:in zur selben Zeit austritt. Das kann z.B. beim Mietvertrag für eine Werkstatt oder sonstige Räumlichkeiten möglich sein.
  • Davon abzugrenzen ist ein Vertrag, der bestehende Verträge ablöst (z.B. Kaufvertrag), und – ganz wichtig! – ein Vertrag zur Abtretung oder Schuldübernahme. Abtretung bedeutet in diesem Fall, dass eine Forderung eines Altgläubigers an den neuen Gläubiger, also Dich, übertragen wird.

3. Kostenfallen vermeiden

Achte hier vor allem auf bestehende Mietverträge und prüfe die geforderte Ablösesumme.

3.1. Klauseln in Mietverträgen beachten

Bei gemieteten Betrieben wird in der Regel ein sogenannter Standard-Mietervertrag unterschrieben, der für die Übernahme übertragen wird. 

Achte hier genau auf die Formulierungen, um später teure Überraschungen zu vermeiden: Lass fragliche Klauseln ggf. von einer Rechtsberatung prüfen, um herauszufinden, ob nach der aktuellen Rechtsprechung unwirksame Passagen enthalten sind.

Vor allem in älteren Mietverträgen ist das häufig der Fall: Hier finden sich oft unzulässige Kombinationen von Endrenovierungsverpflichtung, Pflichten zu laufenden Schönheitsreparaturen sowie Instandhaltung oder Instandsetzung, die aktuell nicht mehr zulässig sind. 

3.2. Anschaffungen durchrechnen

Genügen Maschinen, Werkzeuge, Fuhrpark etc. Deinen Ansprüchen und den Anforderungen an eine zeitgemäße Betriebsführung? Welche Renovierungsmaßnahmen kommen auf Dich zu – vielleicht sogar von baurechtlicher Seite? Willst Du zudem Modernisierungsmaßnahmen wie z.B. die Umstellung auf ein elektronisches Kassensystem für Handwerker umsetzen?

Nimm Dir hier die Zeit für eine genaue Kalkulation und hole Dir ggf. offizielle Angebote ein, wenn Du Unterstützung von anderen Gewerken oder Dienstleistern benötigst. Dies ist unerlässlich, um die angemessene Ablösesumme zu ermitteln.

3.3. Angemessene Ablösung festsetzen

Wer seinen Handwerksbetrieb verkauft, möchte natürlich einen möglichst guten Preis erzielen – denn meist stecken viel Geld, Zeit und Leidenschaft darin. Dennoch solltest Du Dich bei der Übernahme nicht übervorteilen lassen und keine Ablösesumme zahlen, die über den tatsächlichen Wert hinausgeht.

Anders als bei Autos oder Grundstücken kannst Du Dich hier jedoch nicht auf vorgeschriebene Richtlinien beziehen. Um den Unternehmenswert zu ermitteln, musst Du umfangreiche Analyse starten: Dazu gehört es, Bilanzen zu prüfen, den Standort bzw. das Einzugsgebiet einzubeziehen, Renovierungsbedarf und Anschaffungskosten sowie den Wert von Kundenkartei und Mitarbeiter:innen sorgfältig zu kalkulieren. So kannst Du die geforderte Ablösesumme abwägen, bevor Du zustimmst.

4. Angestellte übernehmen

Die Frage, ob Du bestehendes Personal übernehmen willst oder nicht, kannst Du allerdings nicht frei entscheiden: Nach gesetzlicher Vorschrift werden bei einem Betriebsübergang alle Mitarbeiter:innen automatisch übernommen. Das gilt zum Schutz der Arbeitnehmer:innen und im Detail auch für die Arbeitsverträge mit allen Rechten und Pflichten. 

Eine Kündigung aus Anlass des Betriebsübergangs ist daher rechtsunwirksam – das betrifft auch Änderungskündigungen. 

Also ist bei diesem Aspekt viel Fingerspitzengefühl und eine gute Menschenkenntnis gefragt:

  • Motivierte Angestellte, die Dein neues Konzept mittragen und ihre gute Stimmung auch auf die Kundschaft übertragen, sind Gold wert.
  • Bei kompetenten, beliebten Angestellte, die nicht hinter Dir stehen, besteht jedoch das Risiko, dass sie abwandern und ihre Stammkundschaft mitnehmen: Hier musst Du von Anfang an überzeugen, um die Übernahme erfolgreich zu gestalten.

Wichtig: Das Kündigungsrecht aus den sonst üblichen, rechtlich wirksamen Gründen bleibt bestehen.

Auf Dauer solltest Du ohnehin darauf hinarbeiten, fachlich oder sozial ungeeignete Mitarbeiter:innen nicht in Deinem Betrieb zu halten. Lass Dich in solchen Fällen am besten beraten, um teure Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. So können z.B. Aufhebungsverträge eine tragbare Option für beide Parteien darstellen.

5. Eröffnung planen

Hier kommt es darauf an, welche Art von Handwerksbetrieb Du übernimmst.

Bei einer Bäckerei oder einem Friseursalon ist eine kleine Feier mit Kunden, Angestellten und Lieferanten eine gute Möglichkeit, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf den Neustart zu lenken. 

Wer einen Malerbetrieb oder eine Tischlerei übernimmt, hat ebenfalls Grund zu feiern: Hier ist eine geschlossene Veranstaltung angesagt, bei der Du allen Unterstützer:innen der Übernahme danken und die Zusammenarbeit mit Angestellten und Geschäftspartnern besiegeln kannst. Dabei musst Du nicht viel Geld für eine große Party ausgeben: Eine kleine Runde mit einem Glas Sekt und ein paar kleinen Häppchen kann völlig genügen.

Kurz: Es muss nicht groß und teuer sein, aber eine kleine Feier mit folgender Gästeliste wird sich auszahlen.

  • Geschäftspartner und (potenzielle) Investoren: Im Rahmen der Eröffnungsfeier kannst Du Deine Ideen und Deine Persönlichkeit locker präsentieren und neue Kontakte knüpfen, die sich im Anschluss ggf. auf geschäftlicher Basis vertiefen lassen.
  • ggf. Presse und Meinungsmacher der Öffentlichkeit: Lade bekannte Personen aus Politik, Gesellschaft und Presse ein. Wenn Du Glück hast und Dein Charme überzeugt, wirst Du in der Zeitung und auf Social Media erwähnt – und diese Art der Mundpropaganda ist die beste Werbung. 
  • ggf. treue Kunden: Lade möglicherweise auch ausgewählte Großkunden ein. So zeigst Du, dass Du Deine Kundschaft kennst und ihnen Wichtigkeit zumessen. Das ist gut für ein gutes Verhältnis und fördert das berühmte “Vitamin B”, um durch Empfehlungen neue Kunden zu gewinnen.

Auch Freunde und Verwandte, die Dich und Deinen Werdegang bisher unterstützt haben, kannst Du jetzt einladen.

6. Realistische Zeitplanung

Wie lange braucht es vom ersten Gedanken bis zur finalen Übernahme? Hier lässt sich kein allgemeingültiger Zeitrahmen definieren. Manche Nachfolgen sind innerhalb von zwei Monaten geregelt, andere ziehen sich bis zu zwei Jahren. Üblich sind etwa sechs Monate.

Dieser Zeitraum ist u.a. davon abhängig, wie weit Deine Vorstellungen von denen des bisherigen Betriebsführenden abweichen. Wenn Preis, Ausstattung und Abläufe stimmen, geht es natürlich deutlich schneller, als wenn umfangreiche Renovierungen, zahlreiche Anschaffungen oder ein komplett neues Betriebskonzept einbezogen werden müssen. 

  • Analyse: 2–3 Monate
  • Konzepterstellung: 2–3 Monate
  • Finanzierung: 2–3 Monate
  • Werkpläne für Möbel und technische Installationen: 1–2 Monate
  • Umsetzung (Installationen, Trockenbau, Inneneinrichtung): 2–6 Monate
Checkliste für die Übernahme

Hier findest Du weitere Informationen, wenn Du ein Bauunternehmen gründen willst.

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Sabine Amler

Sabine Amler

Senior Content Manager

Als gelernte Buchhändlerin kennt Sabine beide Seiten der Ladentheke. Dieses Know-how verbindet sie mit langjähriger Erfahrung im Bereich SEO und Marketing.

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